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Pressemitteilungen/Stellungnahme Betreuervergütung und Inflationsausgleich

Pressemitteilungen/Stellungnahme zur Einführung des befristeten Inflationsausgleichs für die Vergütung der Berufsbetreuer*innen und Betreuungsvereine ab 2024 bis 2025 sowie zur anstehendenden Gesetzesänderung der Betreuervergütung

Tariflöhne für Sozialpädagog*innen nicht mehr finanzierbar – rechtliches Betreuungswesen vor dem Kollaps – Betreuungsbehörden müssen Übernahmen von hunderten Betreuungsfällen fürchten

Unerwartet hat der Bundesrat am 15. Dezember 2023 dem Inflationsausgleich für die Vergütung der Berufsbetreuer*innen doch noch zugestimmt, obwohl zuvor die Fachausschüsse sich dagegen aussprachen bzw. enthielten. Das Land Thüringen hat gegen den Inflationsausgleich im Bundesrat gestimmt! Am Tag der Abstimmung hatten Demonstrierende aus einem bundesweiten Bündnis der Betreuungsvereine noch vor dem Bundesrat mit der Aktion “Wir machen dicht!” auf die desaströsen Folgen für die Betreuungsvereine ohne Inflationsausgleich aufmerksam gemacht.

Dass der Inflationsausgleich, der aber tatsächlich nur ein “Teil-Inflationsausgleich” ist, doch noch beschlossen wurde, ist jedoch kein Grund für Zuversicht und Optimismus im rechtlichen Betreuungswesen.

Das große Problem ist das VBVG – ein Bundesgesetz, das die Vergütung der beruflichen Betreuer*innen regelt. Eine Anpassung auf Bundesebene ist immer ein langfristiges Unterfangen, das durch die knappen Kassen der Bundesländer von diesen immer viel Gegenwind bekommt.

Die Pauschalen für die Betreuervergütung sind im VBVG in Stein gemeißelt. Eine automatische Anpassung an Tarifsteigerungen und Inflation sind bisher nicht vorgesehen. Die geringfügigen Anpassungen der Pauschalen in den vergangenen Jahrzehnten waren immer nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Auch der jetzige Inflationsausgleich-Zuschlag von monatlich 7,50 € pro Betreuungsfall bringt nur ein Plus von ca. 5 %; freiberufliche Betreuer müssen den Betrag auch noch versteuern!

Die Kostensteigerungen der letzten Jahre (Energie, Mobilität, Mieten) sowie die neuen Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst mit einem Brutto-Lohnplus bis zu 11 % für die hauptamtlich angestellten Vereinsbetreuer*innen (u.a. Sozialpädagog*innen) sind damit nicht gedeckt.

Das VBVG wird planmäßig 2024 evaluiert und 2025 ist eine Gesetzesüberarbeitung mit Vergütungsanpassung vorgesehen.

Diese Wartezeit wird für die freiberuflichen Betreuer*innen und vor allem für die Betreuungsvereine – bildlich gesprochen – eine zittrige Hängepartie am Galgen der chronischen Unterfinanzierung mit der engen Schlinge des ausstehenden Gesetzgebungsverfahrens um dem Hals. Der jetzige Inflationsausgleich ab 2023 ist lediglich eine niedrigere Fußbank unter den Füßen der Betreuungsvereine am Galgen.

Viele der 18 Thüringer Betreuungsvereine zahlen ihren angestellten Vereinsbetreuer*innen Tarifgehälter, für ihre verantwortungsvolle Arbeit – wichtige “Care-Arbeit” für Menschen mit Behinderungen und schweren Erkrankungen in schwierigen Lebenssituationen, die überfordert sind und nicht allein mit ihrem Leben zurechtkommen. Die knappen gesetzlichen Vergütungspauschalen für die Betreuervergütung der vergangenen 20 Jahre führten bereits dazu, dass die Betreuungsvereine die Gehälter ihrer Angestellten nur noch schwerlich finanzieren können, insbesondere professionell aufgestellte Vereine, die Mitarbeiter*innen mit Fach-/Hochschulabschluss beschäftigen. Folge ist, dass die Mitarbeiter*innen ihre Fallzahlen erheblich erhöhen mussten. Fallzahlen, die im Gegensatz zur hohen Verantwortung der Betreuer*innen stehen und auch haftungsrechtlich sowie gesundheitlich bedenklich sind. Die Grenze der Zumutbarkeit und Verantwortbarkeit ist bereits überschritten.

Als ob die finanzielle Situation nicht schon schwierig genug ist, kommt hinzu, dass die Betreuer*innen und Vereine oft lange auf die Vergütungszahlungen aus der Staatskasse warten müssen oder ihre Gelder aufwändig über juristische Wege bei den Gerichten oder Erben einfordern müssen. Mitunter kommt es vor, dass die Gerichte bei der Zahlung an die Betreuer*innen mit mehrere Tausend Euro in Verzug sind.

Was bedeutet diese chronische Unterfinanzierung für die Gesellschaft?

Der Beruf Vereinsbetreuer*in bzw. freiberufliche*r Berufsbetreuer*innen wird durch die andauernde chronischen Unterfinanzierung, infolge politischer Geringschätzung, immer unattraktiver. Schon jetzt gibt es in vielen Regionen kaum noch rechtliche Betreuer*innen. In Gotha haben innerhalb kurzer Zeit über 10 Berufsbetreuer*innen ihren Job an den Nagel gehängt. Die Betreuungsbehörden finden kaum noch Betreuer*innen für die Anfragen der Betreuungsgerichte.

Die Folgen: Wenn die Betreuungsbehörden der Landkreise und Kommunen keine beruflichen und ehrenamtlichen Betreuer*in finden, müssen die Behörden die Betreuungsfälle selber übernehmen – und das ohne Vergütungsanspruch! Eine Katastrophe: die meisten kommunalen Betreuungsbehörden sind personell und fachlich für die Führung von rechtlichen Betreuungen nicht gerüstet – geschweige denn, werden neue Stellen durch den allgemeinen Fachkräftemangel kaum zu besetzen sein. Die Mehrkosten für neue Personalstellen in den Kommunalverwaltungen werden den Kommunen heftig zusetzen. Dieses drohende Szenario ist den meisten Kommunen wahrscheinlich noch nicht bewusst geworden?!

Nebenbei muss erwähnt werden, dass ca. ein Viertel der beruflichen Betreuer*innen in den nächsten 5 – 10 Jahren das Rentenalter erreichen.

Die Länder sparen seit 20 Jahren das derzeitige rechtliche Betreuungswesen, mit den Vereinen als wichtige Säule, kaputt – zu Lasten und zum Risiko der Betreuungsvereine und Kommunen und der betreuten Menschen.

Mit jedem Betreuungsverein, der die finanzielle Hängepartie nicht übersteht und seine hauptamtlichen Vereinsbetreuer*innen entlassen muss, darf die zugehörige Betreuungsbehörde nicht nur die Betreuungsfälle übernehmen, sondern zusätzlich auch noch die Unterstützung und Beratung von ehrenamtlichen Betreuer*innen und Bevollmächtigten.

Betreuungsrechts-Reform 2023 ade?!

Mehr Selbstbestimmung und mehr Qualität in der rechtlichen Betreuung sind so nicht realisierbar! Politik und Verwaltung auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene müssen jetzt begreifen, dass es für Betreuungsvereine und Berufsbetreuer*innen fünf vor zwölf ist. Die 30 Jahre gewachsene Infrastruktur der staatlichen Rechtsfürsorge für Erwachsene wird zusammenbrechen, wenn die Vergütung und Arbeitsbedingungen nicht zeitnah angepasst werden. Noch ein drohender Kollaps in unserer Gesellschaft!?

Wenn sich der Mangel an rechtlichen Betreuer*innen fortsetzt, wäre das ein Armutszeugnis für Deutschland, denn immerhin ca. 1,3 Mio. Menschen brauchen derzeit die Unterstützung von rechtlichen Betreuer*innen, bei der Besorgung von rechtlichen Angelegenheiten.

Zu wenig Betroffene? Ein Irrglaube – hier eine einfache Beispielrechnung:

Wenn jeder betreute Mensch nur 10 rechtliche Beziehungen von einer Betreuer*in zu regeln hat (mit Banken/-mitarbeitern, Vermietern, Heimbetreiber, Krankenkassenmitarbeiter, Ärzte, Ämter, Versicherungen, Behörden usw.) dann sind wir schon bei 13 Mio. Beteiligte. Mehr als 15 Prozent der Bevölkerung stehen also privat oder beruflich mit Menschen in einer rechtlicher Beziehung, die rechtlich betreut werden und bzw. stellvertretend mit ihren Betreuer*innen. Vermieter wollen pünktlich ihre Miete haben; Pflegeheim wollen pünktlich die Heimkosten haben! Schon der Berufsverband bdb e.V hat vor Jahren darauf aufmerksam gemacht: „Betreuung ist Mehrwert!“ …für die Gesellschaft, Sozial-/Wirtschaft und nicht zuletzt für die Teilhabe von beeinträchtigen Menschen.

Berufsbetreuer*innen und Vereinsbetreuer*innen sowie ehrenamtliche Betreuerinnen fallen nicht auf Knopfdruck oder mit einem Zeitungsaufruf vom Himmel. Um genügend Menschen zu finden, die diesen schwierigen Job übernehmen wollen, und für die Bereitschaft der vorhanden Betreuer*innen diesen Beruf überhaupt weiterzuführen, braucht es faire Bedingungen und finanzielle Planungssicherheit für alle Beteiligten sowie langfristige Strategien. Insbesondere in Zeiten von Fachkräftemangel!

Die Gleichung „weniger Betreuer*innen = weniger Betreuungsfälle = Einsparung von Betreuervergütung“ wird nicht aufgehen, solange die Betreuungsbehörden Ausfallbürgen sind.

Rechtliche Betreuung ist wichtige und unvermeidbare “Carearbeit”, die zukünftig nicht mehr zum Spartarif erhältlich sein wird. Wenn die Länder nicht bereit sind, die tatsächlichen Kosten (= die tatsächlichen Tariflohn- und Sachkosten entsprechend dem tatsächlichen Arbeitsaufwand) bereitzustellen, dann wird es für die Kommunen teuer … bzw. am Ende noch teurer für die Gesellschaft.

Deshalb rufen wir hiermit alle Akteure des rechtlichen Betreuungswesens auf Kommunal- und Landesebene dazu auf, eine klare Botschaft an die Bundes- und Landespolitik zu richten: Betreuung braucht verantwortbare Fallzahlen sowie eine verlässliche tarifliche Vergütung – JETZT!

Die LAG Betreuungsvereine Thüringen schließt sich an die Forderung des BdB. e.V. zur Reform der Betreuervergütung an. Darüber hinaus, besteht mit der Gesetzesänderung jetzt auch die Chance, das Vergütungssystem bzw. neue Formen der Betreuervergütung, insbesondere für Betreuungsvereine, neu zu denken bzw. gesetzlich zu ermöglichen.

– Der Vorstand –

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