Stellungnahme zur beschlossenen Anpassung der Betreuervergütung im VBVG ab 2026

Am 21.03.2026 wurde im Bundesrat der Gesetzesentwurf zur Änderung der Betreuervergütung beschlossen. Das BMJ rechnet mit einer Vergütungssteigerung von über 12 Prozent zusätzlicher Vergütung. Ob diese Erhöhung bei den beruflichen BetreuerInnen und Betreuungsvereinen tatsächlich ankommt, wird bezweifelt. Denn nur bei einer ausgewogenen Konstellation von alten und neuen Betreuungsfällen sowie Heim- und Wohnungsklienten sowie auch (vermögende) selbstzahlende Klienten, könnte die Rechnung des BMJ aufgehen.

Das Gesetzgebungsverfahren wurde durch den Regierungsbruch überschattet bzw. ist aus Zeitnot infolge des derzeitigen befristeten Inflationszuschlags (bis Dezember 2025) noch in den letzten Zügen des alten Bundestages beschlossen worden. Wäre dies ausgeblieben, hätten massive Einnahmeausfälle ab Januar 2026 zahlreiche Betreuungsvereine unvermeidbar in die Insolvenz bzw. Schließung getrieben.

Der Berufsverband der Berufsbetreuer (Bdb e.V.) hatte eine Vergütungserhöhung von 27 % für dringend erforderlich gehalten und gefordert, um die Steigerung von Sachkosten und tariflichen Lohnkosten der vergangen Jahre auszugleichen sowie die Mehrarbeit, resultierend aus der Betreuungsrechtsreform, zu kompensieren.

Die nunmehr beschlossenen Aufschläge ab 2026 führen nicht zu planungssicheren Vergütungseinnahmen der Vereine, aus denen diese ihre tariflichen Personal- und Sachkosten bestreiten müssen. Nur die Option einer anzustrebenden optimalen Mischkalkulation bedeutet für Betreuungsvereine keine Planungssicherheit.

Insbesondere die weiterhin fehlende Dynamisierung der Betreuervergütung hinsichtlich Inflation und Tarifsteigerungen macht die Einnahmen der Betreuungsvereine zusätzlich planungsunsicher. Ohne Dynamisierung besteht die Gefahr, dass die Vereine den zukünftigen Kostendruck infolge anstehender Tariferhöhungen (2025, 2027 usw.) wieder mit zusätzlichen Fallzahlerhöhungen kompensieren müssen, was zu einer weiteren Qualitätsminderung in der Betreuungsarbeit führen wird.

Im neuen VBVG werden abermals die Kosten für Sprach- und Gebärdendolmetscher, die im Rahmen der rechtlichen Betreuung notwendig werden können, nicht berücksichtigt. Betreuungsvereine müssen somit weiterhin diese zusätzlichen Kosten aus den prekären Vergütungssätzen bestreiten. Von der Inanspruchnahme des Thüringer Landesprogramms Dolmetschen vom Landesverwaltungsamt, das von anderen sozialen Institutionen und Diensten kostenfrei genutzt werden kann, sind die Betreuungsvereine und Berufsbetreuer*innen bedauerlicherweise ausgeschlossen.

Die nicht angemessenen Vergütungssätze zeigen abermals eine politische Geringschätzung des Gesetzgebers für die Care-Arbeit der rechtlichen Betreuer*innen und die fehlende Anerkennung der stetig zunehmenden betreuungsrechtlichen Mehrarbeit. Dies stellt eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für hauptamtliche Vereinsbetreuer*innen dar. Betreuungsvereine werden für ihre Mitarbeitenden zunehmend unattraktiv, insbesondere aufgrund steigender Haftungsrisiken durch mangelnde Entlastung.

Es ist auch weiterhin nicht nachvollziehbar, dass rechtlich betreute Menschen, die über 10.000 € Vermögen besitzen, weiterhin mehr für ihre Betreuung zahlen müssen, als die Staatskasse für mittellose Betreuungsfälle den Vereinen/Betreuern zahlt. Hier entlasten sich die Länder zulasten vermögender Klienten. Dies steht auch im Gegensatz zum tatsächlichen Arbeitsaufwand, denn insbesondere bei mittellosen betreuten Menschen ist der Arbeitsaufwand für zahlreiche wiederkehrende sozialrechtliche Antragstellungen sowie für eine Schuldenbereinigung bei Überschuldung weitaus höher.

Weiterhin entsteht der Eindruck, dass die Länder nicht nur die Kosten der rechtlichen Betreuung zulasten vermögender Klienten sparen wollen, sondern auch bewusst zulasten der Kommunen.

Infolge der unzureichenden akt. Vergütungsanpassungen warnen wir eindringlich vor den hier aufgeführten Folgen:

  • Die Betreuungsvereine müssen zukünftig weiterhin auf eine ausgewogene Mischkalkulation achten (Ausgleich von aufwändigen und weniger aufwändigen Betreuungsfällen) um wirtschaftlich arbeiten zu können. Dies ist jedoch nicht realistisch, da die Betreuungsvereine in der Regel erster Ansprechpartner seitens der Behörden und Gerichte für Betreuungsübernahmen sind und sich de facto die Betreuungsfälle aus wirtschaftlichem Zwang nur bedingt aussuchen können. Mit einer weiterhin erforderlichen Mischkalkulation können die Betreuungsvereine keine Planungssicherheit für ihre Finanzen erzielen.
  • „Aufwändige“ Betreuungsfälle für die kein*e Betreuer*in gefunden werden können (z.B. nicht-deutschsprachige Klienten (mit Migrationshintergrund), müssten als Ausfallbürgin zukünftig überwiegend die Betreuungsbehörden bzw. deren Mitarbeiter*innen übernehmen. Die Betreuungsbehörden (Kommunen/Landkreise) haben jedoch generell kein Anspruch auf eine Betreuervergütung und somit kommen immense Sach- und Personalkosten auf die Kommunen zu.
  • Der Beruf der rechtlichen Betreuer*innen bzw. Vereinsbetreuer*innen wird abermals unattraktiver und der bereits einsetzende Betreuermangel wird sich infolge von Renteneintritten (ca. 20 – 30 % der Betreuer*innen in den nächsten 5 bis 10 Jahren) verschärfen bzw. wird die unzureichende Vergütungsanpassung die Renteneintritte beschleunigen. Den daraus resultierenden Betreuermangel werden die Betreuungsbehörden kompensieren müssen.
  • Der Betreuermangel bzw. Nachwuchsmangel wird sich weiterhin verschärfen. Für freiberufliche Neueinsteiger bestehen mit der nunmehr beschlossenen „auskömmlichen Vergütung“ keine finanziellen Anreize, diese anspruchsvolle Arbeit mit hoher Verantwortung zu leisten. Neueinstellungen können die Mitgliedervereine nicht finanzieren.
  • Betreuungsvereine laufen weiterhin Gefahr, dass infolge massiver Arbeitsbelastung Mitarbeitende abhandenkommen.
  • Für die Vereine steigt die Gefahr in die Zahlungsunfähigkeit zu geraten und nur mit kommunalen Rettungsschirmen für Betreuungsvereine (Zusatzförderprogrammen) ihre Betreuungsarbeit fortführen zu können.
  • Bei zunehmender Betreuung durch Mitarbeiter*innen der Betreuungsbehörden ist zu befürchten, dass die Rechte und Ansprüche der betreuten Menschen hinsichtlich sozialer Leistungen und sozialer Teilhabe zunehmend nicht verwirklicht bzw. durchgesetzt werden. Da die Mitarbeiter*innen der Betreuungsbehörden Angestellte der Kommune bzw. des Landkreises sind, die letztlich auch für die Zahlung und Gewährung von beantragten Hilfen und Leistungen zuständig sind, darf bezweifelt werden, dass Behördenmitarbeiter*innen Sozialklagen für ihre betreuten Klienten gegen ihren eigenen Arbeitgeber (Dienstherr*in) führen werden.

Die Kommunen müssen sich darauf einstellen perspektivisch ihren Betreuungsvereinen finanzielle Hilfen bereitzustellen, um Insolvenzen, Schließungen und Stellenkürzungen abzuwenden. Ein Verlust an Vereinsbetreuer*innen fällt umgehend den Mitarbeiter*innen der Betreuungsbehörden zur Last. Ebenso werden Schließungen von Betreuungsvereinen die Behörden unmittelbar belasten, da sie dann auch die Vorsorgeberatung der Bürger*innen sowie die Begleitungs- und Schulungsaufgaben für ehrenamtliche Betreuer*innen übernehmen müssen, da diese Aufgaben die Vereine bisher leisten.

Mit der Verabschiedung des neuen VBVGs wurde eine Evaluierung für 2028 beschlossen. Im Koalitionsvertrag wurden die zeitnahe Überprüfung sowie eine nachhaltige Betreuervergütung aufgenommen. Einem neuen Gesetzgebungsverfahren müssen sich Kommunen, Landkreise sowie soziale Institutionen und Sozialwirtschaft mit massiven Nachdruck – im eigenen Interesse – für eine faire und zukunftssichere Betreuungsvergütung einsetzten.

Unsere Forderung hinsichtlich der künftigen Betreuervergütung an die Ländervertretung und Bund sind:

  • Dynamisierung (automatische Anpassung!) an Tariferhöhungen und Inflation zur Sicherstellung von Personalkosten basierend auf TVöD SuE, Entgeltgruppe 12, Stufe 4
  • Tarifkonforme Anhebung der Vergütungspauschalen – fair kalkuliert – unter
  • Anerkennung der tatsächlichen Sachkostenpauschalen gem. KGSt
  • Anerkennung des tatsächlichen zeitlichen Betreuungsaufwandes von ca. 5 Std. im Monat/pro Betreuung
  • Leistungsgerechtes Vergütungssystem einschließlich Mehraufwand innerhalb der Betreuungsführung (für Umzüge, Vermögenssorge, geschlossene Unterbringungen, Betreuerwechsel, minderjährige Kinder der Betreuten, Immobilen-/Grundeigentum)
  • Anspruch auf verlässliche und kontinuierliche Dauervergütungszahlungen aus den Justizkassen mit reduziertem Verwaltungsaufwand
  • Kostenübernahme von Sprach- und Gebärdendolmetscher sowie Ermöglichung der Inanspruchnahme des Landesprogramm Dolmetschen